Interview mit UND Generationentandem Januar 2024
Mit Hypnose zu den inneren Ressourcen
Dr. Paolo Giannoni ist diplomierter Hypnosetherapeut VSH und Shiatsutherapeut. Im Interview in seiner Praxis in Thun erzählt er von seiner Arbeit und von der Wirkung der Hypnose. Vorab: «Hypnose ist kein Hokuspokus, sondern eine sehr wirksame, wissenschaftlich begründbare Therapiemethode». Sie basiert auf einer tiefen Entspannung, die derjenigen kurz vor dem Einschlafen ähnlich ist. Wir werden ja sozusagen von Kopf, Herz und Bauch geleitet: Allerdings arbeitet unser Gehirn im Wachzustand meist auf Hochtouren und der Verstand übertönt die beiden andern. Im Schlaf ist die Hirnfrequenz hingegen tief. Während der Hypnose liegt sie irgendwo zwischen Wachsein und Schlaf. In diesem Zustand ist das rationale Denken gedämpft, trotzdem sind wir wach und können auch jederzeit wieder «auftauchen».
«Hypnose ist kein Hokuspokus, sondern eine sehr wirksame, wissenschaftlich begründbare Therapiemethode». (Paolo Giannoni)
Durch die tiefe Entspannung haben wir einfacher Zugriff auf unser Unbewusstes, eine Welt, die uns im Alltag oft nicht zugänglich ist und wo viele Ressourcen brachliegen. Hier lässt sich die Ohnmacht in «Ermächtigung» umprogrammieren. Wir erleben uns ganz stark und sind ganz bei uns.
Die Macht des Unbewussten nutzen
In der ersten Sitzung bespricht Paolo Giannoni mit seinen KlientInnen jeweils deren Anliegen, den Kontext, wo sie die Ohnmacht erfahren und wie sich diese äussert, wie sie sich stattdessen fühlen möchten und was sich in ihrem Leben damit ändern würde. Diese Informationen reichen aus, um mit der Hypnose zu beginnen.
Gefangen in der Ohnmacht – Bild: Marianne Scheuter
Wenn sich der/die KlientIn darauf einlassen mag, folgt die Entspannungsanleitung und die Reise zu den inneren Kräften kann beginnen. Während der Hypnose fährt der Körper herunter, die Sprache wird langsam, wir konzentrieren uns ganz auf unseren Kern und das Innere kann sich äussern. Nun gilt es, eigene Ressourcen zu finden. Durch das Beantworten von Fragen wie: «Wann haben Sie sich schon mal in der Macht gefühlt? Wie hat sich das konkret angefühlt?» können die KlientInnen ihre Ohnmacht in ihrem Ursprung aufspüren und dank ihren eigenen, oft unbewussten Ressourcen auflösen. Während der fragenden, stützenden Begleitung durch den Therapeuten gelingt der Zugang zum innersten Wissen. Das Gefühl der Ermächtigung wird verankert und mit ins Wachbewusstsein genommen. Später ist es dann möglich, mittels Selbsthypnose dieses Gefühl immer wieder hervorzuholen und in kritischen Situationen zur Stärkung zu nutzen. Nach einer Hypnosesitzung fühlen sich Menschen oft «wie neugeboren». Das ist typisch für die starke Wirkung des Unbewussten: plötzlich ist die Lösung da, auch bei Verletzungen, die oft jahrelang herumgetragen wurden.
Vom Wert der kleinen Dinge
Paolo Giannoni hat den Eindruck, dass sich junge Menschen eher ohnmächtig fühlen als alte. Das liegt nicht nur an der fehlenden Lebenserfahrung, sondern auch an unserer Zeit: Tempo, Social Media, Weltprobleme … Junge fühlen sich überfordert, zweifeln an ihrem Selbstwert und haben das Gefühl, angesichts all der Probleme in der Welt nichts ausrichten zu können und nicht gebraucht zu werden. Auch mangelt es ihnen oft an sinnerfüllenden Strukturen oder sie wollen alles sofort haben. Dies führt zum Gefühl der Ohnmacht. Die kleinen Dinge, die kleinen Erfolge würdigen viele Junge zu wenig. Paolo Giannoni ist überzeugt: «Jedes Lächeln verändert die Welt». Dessen sind sich die Älteren vielleicht etwas bewusster, sie verfügen über mehr Gelassenheit. Auch Therapeuten fühlen sich manchmal ohnmächtig.
«Jedes Lächeln verändert die Welt». (Paolo Giannoni)
Dank Hypnose und Selbsthypnose stehen Paolo in eigenen schwierigen Situationen starke Anker zur Verfügung. Damit kann er beispielsweise vermeiden, sich in sinnlose Konflikte hineinzusteigern. «In angstauslösenden Situationen hilft mir auch die Konzentration auf meine Atmung.» ☐